Redebeitrag auf der Anti-Frontex-Fahrradtour am 03.11.2024
IOM Deutschland in der Charlottenstraße 68, Berlin-Mitte
Eine Organisation wie die International Organisation for Migration darf nicht im Berliner Regierungsviertel fehlen. Gegründet wurde die IOM 1951, damals noch unter einem anderen Namen. Zu jener Zeit sollte sie vor allem das Resettlement von Displaces Persons organisieren. Seitdem ist die Organisation unaufhörlich gewachsen. Heute hat sie einen Jahresumsatz von 2,5 Milliarden US-Dollar. Seit 2016 darf sie sich eine offizielle UN-Organisation nennen. Derzeit sind 175 Staaten Mitglied in der IOM, doch die Finanzierung kommt vor allem von Ländern, für die IOM praktische Aufträge zur Migrationskontrolle ausführt.
Doch was ist problematisch an einer Organisation, die sich auf die Fahnen geschrieben hat: „Humane und geordnete Migration ist sowohl für die Migrant·innen als auch die Gesellschaft von Vorteil”? Oder more catchy als Slogan: „Better Migration Management”.
Der Haken liegt im Wörtchen „geordnete” Migration. Bei der „ungeordneten Migration”, in anderen Worten, der „irregulären Migration”, ist sich die IOM mit ihren europäischen Auftraggebern einig: Irreguläre Migration muss mit allen Mitteln bekämpft werden. Better Migration Management heißt also konkret: Förderung der Migration, die im Interesse der Staaten des Globalen Nordens liegt, und gleichzeitig Abwehr und Abschiebung aller Unerwünschten.
Aus diesem Selektionsprinzip entstehen bei der IOM dann einerseits Projekte mit einem humanitären Anstrich – humanitäre Hilfe bei Naturkatastrophen, medizinische Hilfe, Bildungsprojekte, die Menschen zum Bleiben in ihren Ländern überreden sollen; auf der anderen Seite betreibt die IOM Programme zur angeblich freiwilligen Rückkehr in die Herkunftsländer, und außerdem beteiligt sie sich direkt an der Vorverlagerung des europäischen Grenzregimes in die Herkunfts- und Transitländer.
Von der Charlottenstraße aus betreibt die IOM die Website returningfromgermany.de, wo sich Asylsuchende darüber informieren können, wie viel Geld ihnen winkt, wenn sie freiwillig, sogar vor Abschluss ihres Asylverfahrens, Deutschland verlassen wollen. Und in der LEA am Friedrich-Krause-Ufer betreibt die IOM eine Rückkehrberatungsstelle, vor allem für abgelehnte Asylsuchende. Wobei das Label „freiwillig” für die Rückkehr im Angesicht einer drohenden Abschiebung nichts als humanitäre Bemäntelung ist.
Solche „Voluntary Return Operations” betreibt die IOM auch direkt in afrikanischen Ländern. Allein in Niger stehen sieben „Transit Centres” unter ihrer Kontrolle. Die Transit Centres sollen für abgeschobene und rückkehrwilige Migrant·innen als Zwischenunterkunft auf dem Weg zurück in ihre Herkunftsländer dienen. Das klingt zunächst einmal nach humanitärer Hilfe, doch bei genauerem Hinschauen blättert dieses Image. In den letzten Jahren gab es wiederholt Proteste von Migrant·innen in diesen Lagern – gegen die miesen Lebensbedingungen, für die eine Organisation mit einem Jahresbudget von 2,5 Milliarden Dollar angeblich zu wenig Geld hat. Auch gegen das endlose Warten in den Wüstenlagern auf die Rückreise. Derzeit sind die meisten Insassen der Transitlager Abgeschobene aus Algerien, aber das kann sich ändern. Im Jahr 2017 wurden als Propaganda-Aktion tausende von Migrant·innen aus Libyen in Lager nach Niger verbracht – angeblich, um sie aus der Sklaverei zu befreien. Letztendlich sind die Transitlager auch nur ein Baustein des europäischen Grenzregimes, das sich tief in die afrikanischen Länder hineingefressen hat.
Dazu passt, dass sich die IOM direkt an der Bekämpfung der sogenannten irregulären Migration beteiligt: durch den Bau und die Ausstattung von Grenzposten, durch Schulung der Grenzbeamten. Auch das ist Better Migration Management.
Ich fasse zusammen: Die IOM ist die zentrale globale Agentur für „Remigration“, die ihre schmutzigen Geschäfte humanitär verpackt.
Das IOM Global Migration Data Analysis Centre in der Taubenstraße 22
Hier in der Taubenstraße hat das Global Migration Data Analysis Centre der IOM seinen Sitz. Was macht diese Agentur? Wozu betreibt die IOM eine umfangreiche Datenerhebung? Auf ihrer Website sagt sie, sie mache das, um politische Entscheidungsträger·innen und Partnerprojekte in die Lage zu versetzen, „gezielte und kontextabhängige Hilfe und humanitäre Interventionen” für Migrant·innen durchzuführen. Soweit die humanitäre Propaganda.
Tatsächlich produziert das sogenannte „Flow Monitoring” das offizielle Lagebild der Migrationsbewegungen. Mittels eines technologisch überlegenen Apparats werden wir aus der Taubenstraße kontinuierlich mit bunten Karten, Infografiken und sich gefährlich Richtung Europa bewegenden Pfeilen bombardiert. Auf diese Weise definiert die IOM die Realität der Migration. Die IOM hat die Definitionsmacht, wann ein Migrationstrom gefährlich wird. Die IOM-Statistiken dienen angeblich als Grundlage für politische Entscheidungen. Das ist sehr praktisch für die staatlichen Stellen, die mit Migrationsabwehr befasst sind. Es erlaubt ihnen, am wissenschaftlichen, objektiven Status der IOM-Daten zu partizipieren. Und das, obwohl die Entscheidung zur Migrationsabwehr schon vorher feststand.
Wie kommen all die Daten in die Taubenstraße? Über das sogenannte MIDAS-Projekt, was für „Migration Information and Data Analysis System” steht. Die IOM baut nämlich nicht nur Grenzposten und schult Grenzbeamte, was ich vorhin erwähnt habe. Sie stattet diese Grenzposten und andere Posten mit allerlei biometrischem Gerät aus, sodass Durchreisende Fingerabdrücke abgeben müssen und ihre Gesichter vermessen und abgespeichert werden. Verknüpft ist die MIDAS-Datenbank mit anderen Datenbanken, die von den USA und von Interpol betrieben werden. So entstehen die bunten Infografiken in der Taubenstraße.
Ich fasse zusammen: Von der Taubenstraße aus betreibt die IOM eine Art Spionagenetzwerk, um feindliche MIgrationsströme zu beobachten. Damit staatliche Stellen besser wissen, wo sie zuschlagen müssen.